Eine Geburt ist ein historischer Moment - und keine Frau der Welt sollte danach eine Rose an der Kreißsaaltüre ablegen müssen!!!
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Den ganzen Tag hat es mich beschäftigt, dass heute überall auf der Welt Frauen eine Rose vor dem Ort ablegen, wo ihnen Gewalt widerfahren ist. Ein Ort, an den sie voller Hoffnung und Vertrauen gingen als sie ihr Kind zur Welt bringen wollten. Dieses eine einzige Mal in der Geschichte der Menschheit, dass genau DIESE Frau genau DIESES Kindchen auf die Welt bringt! Das muss man sich erst ein mal bewusst machen!! Alleine durch diesen Gedanken wird mir immer noch viel klarer, wie wichtig es ist, WIE WIR GEBOREN WERDEN UND GEBÄREN!!!
Jetzt, zu später Stunde, komme ich dazu, ein paar Dinge dazu aufzuschreiben, denn sie wollen noch raus.
(Vorsicht – TRIGGER! Bitte lies nur weiter, wenn du dir sicher bist, dass du dich im Moment mit dem Thema Gewalt in der Geburtshilfe befassen magst und kannst!!)
Ich musste heute auch an eine Geburt denken, die vor knapp 15 Jahren stattfand. Es war „meine“ erste Geburt als ganz junge Hebammenschülerin. Einige Tage hatten wir eine „Flaute“ im Kreißsaal gehabt und ich hatte schon ganz hibbelig auf den Moment gewartet, in dem es klingeln würde und ein Paar zur Geburt käme. Tausendfach hatte ich mir vorgestellt, was für ein besonderer Moment das sein würde, wie wir sie herzlich in Empfang nehmen würden, sie begleiten, stützen, umsorgen und verwöhnen würden. Sie würde sich wohl fühlen, geborgen, gestärkt und liebevoll begleitet...
So, wie es eben normal ist, wenn eine Frau dieses große Wunder der Geburt vollbringt!
Dann endlich, endlich ertönte die Kreißsaalklingel und eine Frau kam mit ihrem Mann und ihrem wunderbar runden Bauch und – was für eine Freude – mit WEHEN! Sie wollte ihr 2. Kind mit uns gebären und ich war glücklich und dankbar, dass ich nun endlich dieses besondere Geschehen würde bestaunen können!
In meinen Vorstellungen, die natürlich mit dazu beigetragen hatten, dass ich mich für den Beruf der Hebamme entschieden habe, war eine Hebamme so etwas wie eine „Mutter der Mütter“, eine warmherzige, gemütliche, weise Frau, die immer ein offenes Ohr für alle Sorgen und ein offenes Herz für jede Gebärende haben würde. Ehrlich gesagt, ist diese Vorstellung von DER Hebamme bei mir immer noch so da. Und inzwischen habe ich auch Geburten mit genau solchen Hebammen erleben dürfen (THANK YOU SO MUCH, @lauravandeth, for all the love you bring into the world with your wonderful work and great wisdom!!!), aber zwischendurch habe ich auch sehr schmerzlich erleben müssen, wie diese Vorstellung meiner Traumhebamme einfach vom System, vom Alltag, von der Routine und nicht zuletzt vom Nicht-reflektiert-sein vieler Menschen aufgefressen wurde...
Zurück in den Kreißsaal zu jenem für mich so denkwürdigen Tag.
Ich erinnere mich nicht an jedes Detail der Geburt, wie lange sie ging und was wir alles getan haben, um der Frau zu helfen. Aber was ich noch gut erinnere ist meine Verwirrung darüber, dass sie nicht „in unserem Team“ spielte... Es fühlte sich ein wenig an wie in der Schule, wenn sich Grüppchen bilden, die einander nicht sehr liebevoll zugewandt sind. Ich konnte es wirklich nicht verstehen und einordnen. Warum wurden Augen gedreht wenn die Frau eine Wunsch äußerte, der vielleicht nicht dem Standard entsprach?
Warum schlichen wir uns davon, sobald sie wieder ans CTG gezurrt im Bett lag um ihre Wehen zu veratmen? Warum sollte ich mir unfreundliche Kommentare zum „nervigen“ Verhalten ihres Mannes anhören während wir mit einem Kaffee im Pausenraum saßen??... So hatte ich mir das nicht vorgestellt!
Ich wollte bei der werdenden Mutter sein, ihr gut zureden, sie massieren wenn sie das wünschte, ihr Mut machen, sie bestärken, dass sie alles ganz fantastisch machte und es ganz bestimmt auch bald geschafft war!... Aber ich traute mich nicht. Ich war so jung und neu in der Klinik und völlig unerfahren – blauäugig, wie man mir bald erklären würde.
„Wenn du zu nett zu ihnen bist, saugen sie dich aus!“...
“Gibst du ihnen den kleinen Finger, nehmen sie gleich die ganze Hand!“...
„Lass dich nicht so schnell beeindrucken, die jammern gerne auch mal ein bisschen lauter, damit wir Mitleid haben“...
„Du wirst lernen müssen, dich abzugrenzen, sonst nimmst du sie innerlich alle mit nach Hause und das ist nicht gesund!“...
Solche und andere Sätze mehr bekam ich zu hören in der Zeit als Hebammenschülerin. Und die Fassungslosigkeit über dieses „wir hier und dort sie“ blieb - bis heute um ehrlich zu sein.
Ich lernte, heimlich die Hebamme zu sein, die ich eigentlich sein wollte. Versteckt, hinter dem Rücken der Hebammen, sprach ich sanft mit den Frauen, massierte ihnen schnell in einer Wehe den Rücken wenn ich eigentlich im Geburtszimmer etwas einsortieren oder aufräumen sollte, hielt ihre Hand und nickte ihnen ermutigend zu, wenn die Hebamme zwischen ihren Beinen abgetaucht und nur noch dort beschäftigt war, ohne den Kontakt zu ihnen zu halten, bot ich meine Hüftknochen an, dass sie sich in der Presswehe dagegenstemmen konnten wenn die Hebamme sie in die Rückenlage gezwungen hatte...
Ich verbarg, wer ich wirklich war, was mich wirklich berührte, wohin mein Weg gehen sollte.
Niemals vergesse ich den Blick der Mutter an diesem einen denkwürdigen Tag, als sie ganz am Ende „meiner“ ersten Geburt auf dem Rücken im Bett lag, ihr Mann an ihrem Kopf, Hebammen, Ärzte, Anästhesisten um sie herum, eine grelle Lampe auf ihr entblößtes Intimstes gerichtet - die pure Angst aller Anwesenden war förmlich zu riechen und es wurde über sie gesprochen, statt mit ihr. Und dann wurde sie laut und ruppig angewiesen, wie sie ihr Kindchen richtig auf die Welt zu pressen hatte, während von oben eine Ärztin auf ihren Bauch presste und unten die Hebamme zum Schnitt ansetzte... Und ich stand da, wie betäubt die Geschehnisse verfolgend, meine Berufswahl auf tiefste anzweifelnd und fing ihren angstvollen Blick ein – direkt in die Augen schaute sie mir. Ich werde diesen Blick nie vergessen! Er schien zu bitten, zu rufen „Was geschieht hier mit mir? Hilf mir! Tu etwas! Das alles fühlt sich so falsch an!“...
Alles was ich damals tun konnte, war ihrem Blick stand zu halten, sie zu SEHEN, und all mein Vertrauen und meine Zuversicht in meine Augen zu schicken, dass sie sehen möge, wie gut sie das machte, wie mutig sie war, wie stark! Dass ich an sie glaubte und es bald geschafft war...
Ich war damals nicht stark genug, laut aufzuschreien und in die Welt zu rufen, wie schlimm und falsch sich das alles anfühlte. Ich hielt aus. Und ich hielt durch. Nur um dann direkt nach dem Examen die Klinik zu verlassen und meinen eigenen Weg zu gehen und nicht mehr „Mittäterin“ sein zu müssen.
Und um endlich – wie zum Glück auch ganz, ganz viele andere wunderbare Hebammen, auch in den Kliniken - die Hebamme zu sein, die ich sein kann wenn ich es mir erlaube, die Frauen zu sehen, zu hören, zu fühlen. Wenn ich sie sehr wohl mit nach hause nehmen darf in meinem Herzen, sie ermutigen, umsorgen, bestärken. Ich darf sie massieren, verwöhnen und beschützen. Und mit ganzem Herzen bei ihnen sein auf dem Weg durch diese unglaubliche Zeit in ihrem Leben, die hoffentlich die Zeit ihrer größten WÜRDE sein wird!! Denn das sollte die Geburt ihres Kindes für jede Frau sein!
Danke, liebe Annina. Du bist so eine tolle Frau und ich bin bis heute unendlich dankbar, dass du meine erste Hebamme warst. Auch wenn es manchmal traurig macht, dass du nicht bei der Geburt dabei sein konntest... Da hätte ich dich gut gebrauchen können. Was wären wir Frauen ohne Hebammen wie dich? Und wie wunderbar es ist, dass du deinen Beruf aus tiefstem Herzen lebst und in dem wichtigsten Moment einer Frau den Zauber zulässt :)